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Erast Fandorin von Boris Akunin

 

 

Moskau, 1876: Erast Petrowitsch Fandorin stammt aus einer wohlhabenden russischen Familie, hat aber mit dem Tod des Vaters alles verloren. Er spricht fließend mehrere Sprachen und bewegt sich auch auf dem glatten Parkett der russischen Oberschicht mit sicheren Schritten. Andererseits umgibt den Neunzehnjährigen eine rührende Tölpelhaftigkeit: Wird er von Damen angesprochen, beginnt er zu stottern und die Verlegenheitsröte schießt ihm in die bleichen Wangen. Dieser Peinlichkeit sieht er sich häufiger ausgesetzt, denn mit seinen schwarzen Haaren und blauen Augen ist Fandorin von unwiderstehlicher Gestalt. Er gibt sich dandyhaft und eitel und trägt wie Lord Byron ein Korsett aus Fischknochen, das seine Figur männlicher erscheinen lassen soll (und ihm später bei einer Messerstecherei das Leben rettet).
      Seinen Lebensunterhalt verdient der junge Mann als als Protokollant ("Kollegienregistrator") im Bürodienst der Moskauer Polizei. Nach einem merkwürdigen Selbstmord im Alexandergarten gibt der Jüngling keine Ruhe, und wird schließlich als Sonderermittler Seiner Kaiserlichen Majestät eingesetzt. Die Lösung des bizarren Suizids, die ihn auf die Spur einer bedrohlichen Verschwörung führt, beschert Fandorin einen kometenhaften Aufstieg: Am Ende seines ersten Falles winken Ruhm und Reichtum.
      Fandorin vereinigt in sich die Intelligenz eines russischen Intellektuellen, die vollendete Höflichkeit eines britischen Gentlemans und den Wagemut eines japanischen Samurais, wie der Autor Akunin seine Figur beschreibt. Nach dem frühen Tod seiner jungen Frau verliert Fandorin seinen jugendliche Leichtigkeit und Schwermütigkeit legt sich auf seine Seele. Er lässt sich nach Japan versetzen, ans Ende der Welt, und kehrt erst nach ein paar Jahren zurück nach Moskau. Im Russischen sind bisher ein knappes Dutzend Fandorin-Romane erschienen, die das Schicksal der Figur bis ins Jahr 1900 verfolgen. In den einzelnen Romanen wechselt die Erzählperspektive: Fandorin bleibt zwar die Hauptfigur, die Ereignisse werden aber nicht in jedem Werk aus seinem Blickwinkel geschildert.
      Mitnichten erfreute sich die Fandorin-Reihe in Russland auf Anhieb der großen Popularität, wie man überall lesen kann. Das Debüt »Azazel« erschien in einer Auflage von etwa 10.000 Exemplaren und verkaufte sich nur schleppend. Die "Erastomanie", der ungemeine Erfolg, mit dem Akunin alles andere aus den russischen Bestseller-Charts fegte, stellte sich erst später ein. Heute fiebert in Russland ein Millionenpublikum jedem neuen Fandorin-Roman entgegen, die teilweise gleich im Doppelpack auf den Markt geworfen werden.
      Vielleicht ist Fandorin beim russischen Publikum so beliebt, weil er die erste unabhängige Detektivfigur der russichen Literaturgeschichte ist - der erste Ermittler, der nicht aus oder mit dem Staatsapparat agiert, sondern jenseits der staatlichen Macht steht. Gewiss, Fandorin ist eher Agent als Detektiv - literaturhistorisch ist er aber tatsächlich besser als erster Private Eye in der russischen Kriminalliteratur einzusortieren. Spinnt man den Gedanken etwas weiter, ergibt sich ein beachtenswertes Bild: Die erste genuin post-sowjetische Serienfigur agiert in prä-sowjetischer Zeit.
      Hinter dem Pseudonym Boris Akunin verbirgt sich der gebürtige Georgier Gregori Tschchartischwili, der als Philologe und Übersetzer aus dem Japanischen arbeitete. Tschchartischwili hat u.a. Yukio Mishima ins Russische übertragen und - naheliegend - ein gewichtiges Werk zum Thema Schriftsteller und Suizid veröffentlicht. Das Pseudonym Akunin ist wohl eine gelehrt-scherzhafte Anspielung auf gleichlautende japanische Wort, das "Bösewicht" oder auch "Verbrecher" bedeuten soll. Mit seinen historischen Kriminalromanen schlägt Tschchartischwili alias Akunin eine Brücke von den zeitgenössischen populären Erzählformen zur reichhaltigen klassischen Literaturtradition Russlands, deren herausragendsten Werke zu Fandorins Zeit erschienen sind. Die Romane sind gespickt mit Anspielungen auf die großen russischen Schriftsteller des 19. Jahrhunderts. Akunin umschreibt sich selbst ganz bescheiden als Arbeiter der "Freizeit-Industrie" bezeichnet, der sein Publikum "bloß" unterhalten will - ein bißchen tiefgestapelt ist diese Einschätzung aber mit Sicherheit.
      Boris Akunin hat noch zwei weitere Krimi-Reihen verfasst: Hauptfigur der einen ist die russische Ordensschwester Pelagia, die im Russland der Zarenzeit in Kriminalfälle verwickelt wird, Hauptfigur der zweiten der Engländer Nicholas Fandorin, ein Enkel des berühmten Detektivs Erast Fandorin.

 

 

Azazel'.
Fandorin.

Moskau: Zakharov, 1998
Berlin: Aufbau Verlag, 2001

Tureckij gambit
Türkisches Gambit.

Moskau: Zakharov, 2000
Berlin: Aufbau Verlag, 2001

Leviafan
Mord auf der Leviathan.

Moskau: Zakharov, 2000
Berlin: Aufbau Verlag, 2002

Smert' Achillesa.
Der Tod des Achill.

Moskau: Zakharov, 2000
Berlin: Aufbau Verlag, 2002

Pikovyj valet.
Russisches Poker.

Berlin: Aufbau Verlag, 2003

Dekorator.
Die Schönheit der toten Mädchen.

Berlin: Aufbau Verlag, 2004

Statskij sovetnik.
Der Tote im Salonwagen.

Moskau: Zacharov, 1999
Berlin: Aufbau Verlag, 2004

Koronaciya.
Die Entführung des Großfürsten

Moskau: Zakharov, 2001
Berlin: Aufbau Verlag, 2004

Osobye porucenija.
Moskau: Zakharov, 2001

Lyubovnica smerti.
Der Magier von Moskau.
Moskau: Zakharov, 2001
Berlin: Aufbau Verlag, 2005

Ljubovnik smerti.
Die Liebhaber des Todes.
Moskau: Zakharov, 2001
Berlin: Aufbau Verlag, 2005

Almaznaya kolesnica.
Die diamantene Kutsche.
Moskau: Zakharov, 2001
Berlin: Aufbau Verlag, 2006.

Vneklassnoe chtenie.
Moskau: Olma-Press (?), 2002.

Nefritovye cëtki.
Das Geheimnis der Jadekette.
Fandorin ermittelt.
Kriminalerzählungen.
Moskau: Zakharov, 2007
Berlin: Aufbau Verlag, 2008.

Nefritovye cëtki.
Das Halsband des Leoparden.
Fandorin ermittelt.
Kriminalerzählungen.
Moskau: Zakharov, 2007
Berlin: Aufbau Verlag, 2009.

Ves' mir teatr.
Die Moskauer Diva.
Fandorin ermittelt.
Moskau: Zakharov, 2010
Berlin: Aufbau Verlag, 2011.

Fandorin
Türkisches Gambit
Mord auf der Leviathan
Der Tod des Achill
Russisches Poker
Der Tote im Salonwagen
Das Halsband des Leoparden
Das Geheimnis der Jadekette
Die diamantene Kutsche
 

 

Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt, ist das Bibliographieren russischer Autoren sehr kompliziert. Entsprechend steht auch diese Liste auf wackeligen Füßen. Da wir keine kyrillische Schrift lesen können, müssen wir uns mit nicht-russischen Datenbanken behelfen. Diese führen teilweise erstaunlich viele russische Bücher - ob's tatsächlich die Erstausgaben sind, wissen wir aber nicht. Die Reihenfolge der Akunin-Romane müsste aber tatsächlich der erzählten Zeit entsprechen: »Azazel« spielt 1876, »Vneklassnoe chtenie« schließlich 1900.
      Auf manchen Seiten geistern noch weitere deutschsprachige Erast-Fandorin- Romane rum. Das sind Phantombücher! Aus technischen Gründen schreiben manche Buch-Datenbanken zwingend einen deutschen Titel vor - die Großhändler, die z.B. Bücher aus Russland importieren, behelfen sich damit, dass sie den Originaltitel einfach ins Deutsche übertragen. So findet sich im Datensatz zu einem russischen Buch ein deutscher Titel, auch wenn das Werk gar nicht übersetzt wurde. Nein, es gibt keine deutschsprachigen Fandorin-Romane, die »Der Staatsrat«, »Die Krönung« oder auch »Die Geliebte des Todes« heißen.

 

 

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