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UT-metro: Ein Gespräch mit Thomas Wörtche

 

Thomas Wörtche kaliber.38: Thomas Wörtche, der Rowohlt-Verlag hat nach langen Jahren seine Thriller-Reihe aufgegeben. Ullstein hat seine Krimi-Reihe - die gelbe Reihe - eingestellt. Braucht der Markt eine Krimi-Reihe?

Thomas Wörtche: Ob der Markt eine Krimi-Reihe braucht, das weiss ich nicht. Der Markt braucht UT metro - sonst würden wir's nicht machen. Nämlich zur Versammlung dessen, was man als schieres Genre sonst gerne übersieht. Und was zu schade ist, übersehen zu werden. Deswegen ist es sehr sinnvoll, daß ein "literarisch renommierter" Verlag einmal mehr beweist, daß Literatur in sehr vielfältiger Gestalt auftritt - zum Beispiel als Genre-Mix, als Genre-plus, sozusagen.
Genre - ob Genre plus oder minus - in den allgemeinen Reihen zu verstecken, heißt auch, sich des Genres zu schämen und es irgendwie wegzuwurschteln. Als ob es was Unanständiges wäre. Ist es aber nicht, es ist nur in sich nicht so säuberlich zu rubrizieren, Deswegen kommen enger definierte Reihen auch ins Schleudern. Das kann UT metro nicht passieren, weil wir einen sehr offenen Begriff von Crime & Suspense haben. Und uns keine Grabenkämpfe aufdrücken lassen, sondern versuchen, selbst zu definieren. Und das Schöne ist: Nach allem was wir wissen, machen die Leser dabei fröhlich mit.

Total Cheops k.38: Was ist das Besondere an UT metro?

TW: Wir nehmen die Internationalität wirklich ernst. Bei uns gibt es Bücher aus Bangkok und Kamerun, aus Hongkong und Buenos Aires, aus London und Marseille. Und in Zukunft aus Manila, Istanbul und so weiter und so weiter. Und zwar von Leuten, die vor Ort gelebt haben, dort leben oder dort geboren sind und nicht ihren Kommissar mal schnell auf Urlaub unter Palmen schicken. Neu ist ausserdem, daß wir uns programmatisch auf kein bestimmtes Genre und schon gar nicht auf bestimmte Subgenres festlegen: Wir halten Spannungsliteratur zwar für einen globalen Code (deswegen können wir uns an Geschichten aus Yaounde und aus Rio so erfreuen), der aber genau nicht die globale Planierung von Unterschieden mitmacht. Deswegen bleibt uns auch aus sachlichen Gründen - glücklicherweise - nichts anderes übrig, als so vielfältig wie möglich zu sein. Dass wir so ganz nebenbei (harf, harf) uns bemühen, unsere Leser nicht unter Niveau zu unterhalten, das ist, glaube ich, selbstverständlich. Ausserdem garantieren wir sozusagen Überraschungseffekte: Es könnte ja auch sein, daß literarische Innovation mal wieder aus den Genres kommt, wie schon so oft in der Literaturgeschichte.

Donna  und der Fettsack k.38: Es scheint, als würden Sie nur Originalausgaben publizieren, oder beabsichtigen Sie auch, vergriffene Titel neu aufzulegen?

TW: Natürlich wollen wir soviel wie möglich an neuen Schriftsteller allerlei Geschlechts vorstellen. Aber wenn's uns juckt, erlauben wir uns auch hin und wieder ein paar Nachauflagen von Büchern, von denen wir denken, sie müssten dringend wieder unter's Volk.

k.38: Zum Namen: Die moderne Kriminalliteratur ist wie kein anderes Genre mit der Stadt als Lebensraum verbunden. Was dürfen wir uns zusätzlich unter "metro" vorstellen?

TW: Klar, Städte spielen eine grosse Rolle, aber eine Metro hat auch Umsteigestationen zum Vorortzug und weiter auf's Land. Dass Kriminalliteratur historisch gesehen Grossstadtliteratur ist, bedeutet nicht, daß ihre Methoden und Verfahren in den Händen guter Schriftsteller nicht auch für's Land sinnvoll seien.

Socrates in Watts k.38: Herr Wörtche, Helen Zahavi und Walter Mosley sind dem deutschen Publikum bekannt. Aber wer zum Beispiel sind Christopher G. Moore oder Stan Jones? Literarische Newcomer oder nur in Deutschland bisher unentdeckt?

TW: Wir haben beide Kategorien zu bieten: Absolute Newcomer wie Stan Jones aus Alaska, dessen allererstes Buch wir im ersten Programm präsentieren und der losging wie eine Rakete. Jerry Raine aus England gehört dazu. Zwar ist »Frankie Bosser kommt heim« schon sein zweites Buch, aber Jerry Raine gehört noch zu den Geheimtips. Wenn man allerdings die Lobeshymnen von Kollegen wie Ian Rankin und Val McDermid hört und gleichzeitig die gute, alte »Times« in Jauchzer ausbricht, wird das nicht lange so bleiben. Mongo Beti hingegen gehört im frankophonen Bereich schon lange zu den Klassikern der Weltliteratur - dass ausgerechnet wir seinen Ausflug in die turbulente Welt des Polit-Thrillers machen können, freut uns ungemein. Christopher G. Moore aus Bangkok ist sowieso ein Phänomen - ein Kultautor in Asien und einer der ersten Internet-Selfmade-Autoren überhaupt. Wer nur im Netz zigtausend Bücher verkauft, muß schon was haben. Und begeistert waren wir, als wir mit dem unwahrscheinlichen Duo Bradley/Sloan auf eine sehr lebendige Hongkonger Szene gestossen sind. Obwohl Rebecca Bradley ja inzwischen in Fantasy-Kreisen die grosse Nummer ist.

Weißer Himmel schwarzes Eis k.38: Wie geht es weiter? Können Sie uns schon einen Ausblick auf die nächsten Titel bei UT-metro geben?

TW: Es geht sehr international weiter: Mit Argentien - Pablo De Santis, eine Art grotesker Borges, falls man sich das vorstellen kann - mit Kolumbien und Jerome Charyn, mit Manila und William Marshall und einer kleinen Überraschung aus der Türkei - mehr wird aber nicht verraten.

k.38: Wie sieht es aus mit deutschen bzw. deutschsprachigen Autoren?

TW: Ich weiss nicht, wie's aussieht mit denen. Wir brüten ein wenig über dem einen oder anderen deutschen Titel und warten täglich auf den Überhammer.

Haus der Geister k.38: Gibt es jemanden, den Sie ganz rasend gerne in Ihrem Programm hätten, unabhängig davon, ob es machbar wäre oder nicht?

TW: Jetzt könnte ich fünf Seiten mit Namen vollschreiben. Darüber darf ich eigentlich auch gar nicht nachdenken - denn siehe, selbst der Unionsverlag und ich sind endlich.

k.38: Eine besondere Rolle in der Präsentation der Reihe spielt das Internet. Was haben Besucher der metro-Seiten zu erwarten?

TW: Unsere Bücher sind ja schon mit Materialien aller Art ausgestattet, aber Spezialisten finden im Netz noch viel mehr: Es gibt zu jedem Autor und zu jedem Titel weiterführende Links, so daß sich der Besucher bei Bedarf eine Fülle weiterer Informationen zusammenstellen kann. Für allfällige Diskussionsbedürfnisse steht ein Gästebuch bereit. Und dann haben wir natürlich noch den "Übersetzerbericht" nebst Forum - dort begründen unsere pp. Übersetzerinnen und Übersetzer die Grundentscheidungen ihrer Arbeit und warten auf Kommentare etc.

Temutma k.38: Herr Wörtche, Sie sind als Kritiker in der Krimi-Szene nicht nur geachtet, sondern auch gefürchtet. Nun haben Sie die Fronten gewechselt und müssen sich selbst der Kritik stellen. Lampenfieber?

TW: Ach, ich weiss nicht. Erstens nicht, was die "Krimi-Szene" ist - sollte es so was geben, kennt man mich dort bestimmt nicht. Und zweitens, warum sollte ich als doch recht milder Rezensent (bedeutend mehr Lobe als Verrisse) irgendwelche Ressentiments produzieren ? Nee, ich bin da ganz gelassen.

k.38: Thomas Wörtche, wir bedanken uns für das Gespräch und wünschen Ihnen und dem Unionsverlag viel Erfolg.

TW: ¡De nada¡ und herzlichen Dank!

 

Weitere Informationen zu der neuen Krimi-Reihe des Unionsverlages finden Sie unter
http://www.unionsverlag.ch/UTmetro/index.htm.

 

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