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Harry Kemelman

 

Harry Kemelman wurde am 24. November 1908 in Boston, Massachusetts, geboren. Seine Eltern waren als jüdische Emigranten aus Russland in die USA eingewandert. Kemelman studierte an der Boston University und absolvierte einen Magisterabschluss in Englischer Philologie in Harvard. Er war als Lehrer tätig, während des Zweiten Weltkriegs mit Verwaltungstätigkeiten für die Army betraut. Nach dem Krieg widmete er sich wieder der Tätigkeit als Lehrer für Englisch und Hebräisch und begann, Kriminalstories zu schreiben: Ab 1955 erschienen Kemelmans Geschichten, die sich mit den Abenteuern des Neuengland-College-Professor Nicky Welt befassten, in Ellery Queen's Mystery Magazine.

Berühmt wurde Harry Kemelman mit seiner Krimi-Reihe um Rabbi David Small, die ab 1964 erschien und insgesamt elf Romane umfasste. Die Serie spielt in der fiktiven Stadt Barnard's Crossing (die dem realen Städtchen Marblehead in Massachusetts, in dem Kemelman selbst lebte, doch sehr ähnelt). Rabbi David Small ist der geistliche Führer einer Synagoge in Barnard's Crossing. Er ist ein höchst ungewöhnlicher Detektiv, der Verbrechen durch die Anwendung talmudischer Logik und Weisheit löst. Die Krimis sind alles andere als blutrünstig und nicht gerade zum Nägel kauen spannend. Auch sind die Fälle des Rabbis nicht wirklich von hoher Komplexität. Kemelans Krimis leben von der ruhigen Atmosphäre und den gelehrt-geschliffenen Dialogen - besonders auch in den Gesprächen des Rabbis David Small mit Hugh Lanigan, dem irisch-katholischen Polizeichef des Ortes.

Kemelmans Krimis bestechen durch die lebendige Darstellung jüdischer Traditionen und Bräuche, die geschickt in die Handlung eingebunden sind. Rabbi Small ist in der talmudischen Methode des Pilpul sehr bewandert - eine Methode, bei der feinste Unterschiede und Nuancen herausgearbeitet werden, um so der Wahrheit auf den Grund zu gehen. Der jüdische Gelehrte wird oft mit anderen literarischen Detektiven verglichen, wie zum Beispiel Chestertons Pater Brown, wegen seiner ungewöhnlichen Herangehensweise an die Lösung von Verbrechen und seiner tiefen moralischen Überzeugungen. Der sympathische, zugewandte Detektiv hat das Interesse des Publikums an jüdischer Kultur und Tradition in den USA und überall da, wo die Rabbi-Small-Bücher gelesen wurden, gefördert.

Kemelman wusste mit seiner gepflegten und kultivierten Schreibweise Schreibe Publikum und Kritik zu überzeugen. Die Romane erfreuten sich besonders in den USA großer Beliebtheit, aber auch in Übersetzung in vielen anderen Ländern. Gleich der erste Rabbi-Small-Roman »Friday the Rabbi Slept Late« hat 1965 den Edgar-Allan-Poe-Award als bester Erstlingsroman gewonnen.

Harry Kemelman bleibt seiner Figur über mehr als drei Jahrzehnte treu und folgt dem Rabbi gewissermaßen in Echtzeit. David Small beginnt als schüchterner, intellektueller Gelehrter, der sich noch unwohl fühlt in seiner Rolle als Gemeindepfarrer. Im Laufe der Serie wird er selbstbewusster und entwickelt sich zu einem respektierten Vorsteher der jüdischen Gemeinde in Barnard's Crossing. Auch die Kriminalfälle gewinnen an Komplexität: der Hintergrund der Mordtaten weitet sich aus von lokalen, persönlich motivierten Verstrickungen zu politisch-sozialen Themen bis hin zu internationalen Intrigen. Kemelmans Small-Reihe lässt sich lesen als facettenreiche Darstellung des jüdischen Lebens und der jüdischen Kultur in verschiedenen Kontexten, von der kleinstädtischen Gemeinde bis hin zum modernen Israel.

In den gut drei Jahrzehnten immer mit dabei: Miriam, Smalls Ehefrau, die den Rabbiner mit der Übernahme einiger Aufgaben in der Gemeinde unterstützt und dem Detektiven mit ihren klugen Überlegungen manchen Kriminalfall zu lösen hilft.

Harry Kemelman starb am 15. Dezember 1996 in Marblehead, Massachusetts.

 

Rabbi David Small:
Friday the Rabbi Slept Late
[New York: Crown, 1964]
[London: Hutchinson, 1965]
1964 Am Freitag schlief der Rabbi lang
[Zürich: Unionsverlag, 2015]
[Berlin: Verlag Das Neue Berlin, 1968]
[Reinbek: Rowohlt, 1966]
Saturday the Rabbi Went Hungry
[New York: Crown, 1966]
[London: Hutchinson, 1967]
1966 Am Samstag aß der Rabbi nichts
[Zürich: Unionsverlag, 2015]
[Reinbek: Rowohlt, 1967]
Sunday the Rabbi stayed Home
[New York: Putnam, 1969]
[London: Hutchinson, 1969]
1969 Am Sonntag blieb der Rabbi weg
[Zürich: Unionsverlag, 2015]
[Reinbek: Rowohlt, 1970]
Monday the Rabbi Took Off
[New York: Putnam, 1972]
[London: Hutchinson, 1972]
1972 Am Montag flog der Rabbi ab
[Zürich: Unionsverlag, 2015]
[Reinbek: Rowohlt, 1974]
Tuesday the Rabbi Saw Red
[New York: Arthur Fields Books, 1974]
[London: Hutchinson, 1974]
1974 Am Dienstag sah der Rabbi rot
[Zürich: Unionsverlag, 2015]
[Reinbek: Rowohlt, 1975]
Wednesday the Rabbi Got Wet
[New York: Morrow, 1976]
[London: Hutchinson, 1976]
1976 Am Mittwoch wird der Rabbi nass
[Zürich: Unionsverlag, 2015]
[Reinbek: Rowohlt, 1977]
Thursday the Rabbi Walked Out
[New York: Morrow, 1978]
[London: Hutchinson, 1979]
1978 Der Rabbi schoss am Donnerstag
[Zürich: Unionsverlag, 2015]
[Reinbek: Rowohlt, 1979]
Conversations with Rabbi Small
[New York: Morrow, 1981]
1981
Someday the Rabbi will Leave
[New York: Morrow, 1985]
[London: Hutchinson, 1985]
1985 Eines Tages geht der Rabbi
[Reinbek: Rowohlt, 1985]
One Fine Day the Rabbi Bought a Cross
[New York: Morrow, 1987]
[London: Century, 1988]
1987 Ein Kreuz für den Rabbi
[Reinbek: Rowohlt, 1988]
The Day the Rabbi Resigned
[New York: Fawcett Columbine, 1992]
1992 Ein neuer Job für den Rabbi
[Reinbek: Rowohlt, 1994]
That Day the Rabbi left Town
[New York: Fawcett Columbine, 1996]
[Sutton: Severn House, 1997]
1996 Als der Rabbi die Stadt verließ
[Reinbek: Rowohlt, 1997]

 

Andere:
The Nine Mile Walk.
The Nicky Welt stories of Harry Kemelman
[New York: Putnam, 1967]
[London: Hutchinson, 1968]
1967 Quiz mit Kemelman
[Reinbek: Rowohlt, 1969]
Common Sense in Education
[New York: Crown, 1970]
1970

 

Gossip:
Die literarische Geburt des berühmten Rabbi Smalls war nicht ganz einfach, wie man einer Besprechung des zweiten Rabbi-Small-Romans von Rolf Becker im SPIEGEL entnehmen kann: Wie Becker schreibt, hatte Harry Kemelman ein Roman-Manuskript über die Streitigkeiten einer amerikanisch-jüdischen Gemeinde um den Neubau einer Synagoge verfasst und dem New Yorker Verlag Crown vorgelegt. Der Lektor lehnte ab, denn der Stoff sei für nicht-jüdische Leser uninteressant. Kemelman, so schreibt Becker weiter, versuchte es mit einem neuen Manuskript, diesmal einem Essay. Die Reaktion des Lektors: Interessanter Stoff, aber leider unverkäuflich. Im dritten Anlauf bot Kemelman dem Lektor ein paar seiner Detektivgeschichten an, die im Ellery Queen's Mystery Magazine erschienen war. Daraufhin der Lektor: "»Warum schmeißen Sie die drei Sachen nicht zusammen? Machen Sie den Detektiv zum Rabbi. Lassen Sie im Hintergrund die Gemeinde zanken. Tun Sie einen Mord hinein und, wenn's geht, einen katholischen Polizeichef, der sich für den Unterschied zwischen jüdischer und christlicher Religion interessiert. Dann haben Sie Ihr Buch.«" (Rolf Becker: "Shylock Holmes". In: DER SPIEGEL Nr. 8/1968).

 

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