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James W. Hall

From Poetry to Crime Fiction

 

In New York werden die meisten amerikanischen Krimis verlegt - in Florida, möchte man meinen, werden die meisten geschrieben. Edna Buchanan, Carolina Garcia-Aguilera, Carl Hiaasen, Laurence Shames, um nur einige zu nennen.
Und eben James W. Hall.

Natürlich scheinen die Verlage auf Stoffe aus Florida zu stehen, wiegelt James W. Hall ab, "und wo die Nachfrage ist, taucht auch schnell das Angebot auf, um sie zu befriedigen." Andrerseits gebe es auch viele Krimis aus New York und Los Angeles, ohne dass sich jemand groß drum schert. "In South Florida leben fünf bis sechs Millionen Menschen. Gut ein halbes Dutzend Autoren, die über die Gegend erzählen, ist kein sonderlich hoher Anteil." Auch dass sich viele Florida-Schriftsteller ausgerechnet in der Kriminalliteratur tummeln, wundert ihn nicht: "Nun, in den Abendnachrichten gibt es täglich so viele bizarre, seltsame Verbrechen, die das Vorstellungsvermögen überschreiten. Es wäre sonderbar, wenn ein Schriftsteller aus Süd-Florida nicht über Verbrechen schreiben würde. Es ist ein so wesentlicher Teil des sozialen Milieus."

James Wilson Hall, Jahrgang 1947, wuchs auf in Hopkinsville, einer kleinen Stadt in Kentucky. Nach der Schule verwarf er seinen ursprünglichen Plan, die Air Force Academy zu besuchen und schrieb sich statt dessen in einer kleinen Kunsthochschule in St. Petersburg, Florida, ein. Danach studierte er Englisch an der John Hopkins University in Baltimore und an der University of Utah in Salt Lake City. Nach seinem Abschluss kehrte Hall nach Florida zurück und unterrichtet seitdem Lyrik und Kreatives Schreiben.

Halls Karriere als Schriftsteller begann mit Lyrik. Zwischen 1976 und 1986 veröffentlichte er vier Bände mit Gedichten. James W. Hall zu kaliber .38: "Ich habe Lyrik an der High School und am College geschrieben und gedacht, Frauen hielten mich für empfindsam und begehrenswert. Ich war ein romantischer Dummkopf, und die einzigen Mädchen, die Lyrik anziehend fanden, interessierten mich nicht. Cheerleaders waren sicherlich keine Lyrik-Fans."

Schriftsteller wollte Hall eigentlich nie werden, sondern er plante seine Zukunft als College-Lehrer. Insgeheim träumte er von einer Karriere als Tennisprofi - einer Leidenschaft, der er noch heute frönt - u.a. gemeinsam mit dem Schriftsteller-Kollegen Laurence Shames. Doch das Lesen nahm in seinem Leben einen immer größeren Raum ein, und schließlich war "es die natürlichste Sache der Welt, das Schreiben einmal selbst auszuprobieren":

"Ich begann damit, mich an ernsthaften literarischen Romanen zu versuchen - Bücher, die vielleicht einem College-Lehrer gefallen würden. Aber mein großer Durchbruch stellte sich ein, als ich mich entschloss, mich einmal an der Sorte Büchern zu versuchen, die ich insgeheim liebte - Krimis und Thriller."
[Interview mit Paul A. Bergin in Mystery Scene]

1987 erscheint James W. Halls erster Roman »Under Cover of Daylight« (»Im Schutz des hellichten Tages«). Hauptfigur des Romans ist ein eigenbrötlerischer und einprägsamer Charakter, dessen richtigen Namen wir an keiner Stelle erfahren. Hall nennt in schlicht Thorn, also Dorn. Über den semantischen Gehalt hinaus, sagt James Hall, sei der Name auch eine Verbeugung vor dem kalifornischen Autoren Newton Thornburg, der "einige exellente literarische Thriller geschrieben" habe.

Thorn ist ein schwer zugänglicher, in sich gekehrter Charakter - ein romantischer Einsiedler, der seine selbstgewählte Isolation nur selten aufgibt. Seine Vergangenheit ist verdunkelt vom Schatten der Gewalt, die immer wieder hervorzubrechen droht und den Isolationisten zum Rächer werden lässt. Thorn, so James Hall zu Mystery Scene, "wurde modelliert nach unterschiedlichen Charakteren, die ich in Key Largo kennengelernt habe." Zähe Typen, die sich ihren kärglichen Lebensunterhalt mit Angeln und dem Fang von Krabben und Hummern verdienten. Die meisten von Ihnen seien auf der Flucht gewesen, vor "dem Gesetz, den Zwängen des Festlandes. Irgendwas. Ich kannte eine Menge Thorns damals, und ich habe sie alle sehr gemocht."

In diesen Tagen erscheint mit »Blackwater Sound« der siebte Roman aus der Reihe. Dabei wollte James W. Hall die Figur ursprünglich gar nicht als Serien-Charakter ausbauen. Was ihn denn nach dem ersten Buch bewogen habe, einen weiteren Thorn-Roman zu schreiben?

"Mein Verleger hat mich davon überzeugt, dass es zu meinem eigenen Vorteil wäre. Ich mochte Travis McGee und Lew Archer und Sam Spade und Spenser - alles Serienfiguren, aber ich habe genauso die Art bewundert, wie Elmore Leonard unterschiedliche Bücher über unterschiedliche Charaktere schreiben und damit ganz andere Geschichten erzählen konnte."

Die Sicherheit der Serie versus künstlerische Freiheit in stand-alones - Hall ist das Wagnis mehrfach eingegangen und hat eine Pause von seiner Hauptfigur eingelegt. "Thorn ist ein launischer, schwieriger Typ. Keine Person, mit der es sich leicht zusammenleben lässt", sagt Hall. Dass die Verleger bei solchen Risiken nicht immer mitspielen, zeigt der Roman »Gone Wild« von 1995: Ursprünglich als ein non-series-Roman geschrieben, haben seine Verleger ihn gedrängt, Thorn nachträglich in die Geschichte einzubauen.

Die Grenzen zwischen seinen Thorn-Romanen und den stand-alones sind fließend: 1998 erschien mit »Body Language« der erste Roman mit der Polizeifotografin Alexandra Rafferty und ihrem Vater Lawton Collins, einen ehemaligen Polizisten. In seinem neuen Buch »Blackwater Sound« treten die beiden wieder auf - gemeinsam mit Thorn. Im Moment, so Hall, schreibe er "an einem Buch über moderne Piraten", in dem die drei wieder gemeinsam ermitteln werden.

James W. Hall steht jeden Morgen um halb fünf auf, joggt drei bis vier Meilen und beginnt dann mit seinem Tagwerk. Viel Zeit verbringt er mit dem Überarbeiten seiner Entwürfe. Er lässt sich dabei von seinem Gehör leiten: Manche Worte dreht er x-mal hin und her, bis der Satz endlich den richtigen Klang hat: "Poesie erfordert ein viel ausgeprägteres Gespür für die Musikalität der Sprache als Prosa. Aber die wirklich großen Prosa-Stilisten, wie [James Lee] Burke und Andres Dubus, sind in hohem Maße Dichter". Manchmal, so gesteht er ein, sehne er sich nach den frühen Dichter-Tagen, in denen er zwar weniger Geld, aber mehr Spaß und mehr Freizeit gehabt habe. Als Romancier hingegen müsse man arbeiten "wie ein Klempner oder Friseur".

Seit langen Jahren unterrichtet James W. Hall an der Florida International University. Einer seiner Schüler war Dennis Lehane. Doch James Hall hält seinen Einfluss auf einen der renommiertesten Autoren der jüngeren Krimi-Generation für gering: "Mein größter Beitrag zu seiner Ausbildung hat darin bestanden, ihm nicht im Wege zu stehen", sagt Hall.

Als Musik-Fan sollten Sie unbedingt mal im Angebot von Don't quit your Day Job-Records rumwühlen - da werden Sie wunderbar schrullige Zusammenstellungen finden. Auf manchen Aufnahmen zupft Ridley Pearson den Bass, auf anderen spielt Stephen King Gitarre, oder Amy Tan gibt im Domina-Gewand eine Punksängerin, und Carl Hiaasen singt dazu im Background-Chor. Auf der CD "Stranger than Fiction" wird auch James W. Hall als Mitwirkender geführt. Dass er nun seinem Rechner den Saft abdreht und einer Rock'n'Roll-Karriere entgegenstrebt, steht allerdings nicht zu befürchten: "Ich habe bloß ein paar Affenschreie für den Background beigesteuert. Es hat mich sehr geehrt, unter so vielen großen Schriftstellern dabei sein zu dürfen. Auch wenn keiner von Ihnen richtig singen konnte."

 

Weitere Infos zu James W. Hall finden Sie auf seiner Homepage unter
http://www.jameswhall.com.

 

Thorn-Serie:
Under Cover of Daylight
[New York: W.W. Norton, 1987]
1987 Im Schutz des hellichten Tages
[Hamburg: Hoffmann und Campe, 1989]
[München: Heyne, 1991]
Tropical Freeze
[New York: W.W. Norton, 1989]
1989 Tropische Kälte
[München: Heyne, 1992]
Mean High Tide
[New York: Delacorte Press, 1994]
1994 Abgetaucht
[München: Goldmann, 1995]
Gone Wild
[New York: Delacorte Press, 1995]
1995 Operation Arche Noah
[München: Goldmann, 1998]
Buzz Cut
[New York: Delacorte Press, 1996]
1996
Red Sky at Night
[New York: Delacorte Press, 1997]
1997
Blackwater Sound (1)
[New York: St. Martin's Press, 2002]
2002
Off the Chart
[New York: St. Martin's Press, 2003]
2003
Magic City
[New York: St. Martin's Press, 2007]
2007
Hell's Bay
[New York: St. Martin's Press, 2008]
2008

 

(1) In »Blackwater Sound« treten mit der Polizeiphotographin Alexandra Rafferty und ihrem Vater Lawton Collins, einem ehemaligen Polizisten, zwei Personen aus dem Non-Series-Roman »Body Language« auf. Alexandra ist auch Thorns Partnerin in dem jüngsten Roman »Off the Chart«

 

Andere Romane:
Bones of Coral
[New York: Alfred A. Knopf, 1991]
1991 Finale in Key West
[München: Heyne, 1997]
[Hamburg: Hoffmann und Campe, 1992]
Hard Aground
[New York: Delacorte Press, 1993]
1993 Das Gold der Carmelita
[München: Heyne, 1996]
Body Language
[New York: St. Martin's Press, 1998]
1998
The Putt at the End of the World (2)
[New York: Warner, 2000]
2000
Rough Draft
[New York: St. Martin's Press, 2000]
2000
Forests of the Night
[New York: St. Martin's Press, 2005]
2005

 

(2) Ein Kettenroman, gemeinsam mit Richard Bausch, Ridley Pearson, James Crumley, Tami Hoag, Dave Barry, Tim O'Brien, Les Standiford und anderen.

Stories:
Paper Products
[New York: W.W. Norton, 1990]
1990

 

Kolumnen:
Hot Damn!
Alligators in the Casino, Nude Women in the Grass, How Seashells Changed the Course of History, and Other Dispatches from Paradise.
[New York: St. Martin's Press, 2002]
2002

 

Gedichte:
The Lady from the Dark Green Hills
[Pittsburgh: Three Rivers Press, 1976]
1976
The Mating Reflex
[Pittsburgh: Carnegie-Mellon University Press, 1980]
1980
Ham Operator. Poetry and Fiction
[Bristol, R.I.: Ampersand Press, 1980]
1980
False Statements
[Pittsburgh: Carnegie-Mellon University Press, 1986]
1986

 

Wenn Sie mal auf die Behauptung stoßen, James W. Hall habe drei Lyrik-Bände bei Carnegie-Mellon University Press veröffentlicht, dann ist das nicht falsch und widerspricht unseren Angaben nicht - aus Three Rivers Press wurde später Carnegie-Mellon University Press.

 

© j.c.schmidt, 2001 - 2008

 

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