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Imposante Fleißarbeit

Über das »Lexikon der internationalen Krimiautoren« von Alex Flückiger

 

Lexikon der internationalen Krimiautoren Der Mann heißt Mark Fisher und hat einige Krimis publiziert, die meist in Florida spielen. Wenn man seine Bücher nicht zufällig im Regal stehen hat, und mit einem Blick ins Impressum alle Fragen klären kann, wird's schwierig: Dass der Autor Kanadier ist und in französischer Sprache schreibt, liegt bei seinem Namen (und den Schauplätzen seiner Krimis) nicht auf der Hand. So jemand kann Menschen, die - wie ich - mit Akribie und tiefdeutscher Sorgfalt ungezählte Datensätze zur Kriminalliteratur zusammentragen, an den Rand des Herzinfarktes bringen.

Zur Blutdrucksenkung trägt ein neues Handbuch bei - das »Lexikon der internationalen Kriminalliteratur« von Alex Flückiger. Auf mehr als 600 Seiten stellt Flückiger - geschätzte - 1.500 Kriminalschriftsteller und ihr Werk in kurzen Porträts vor. Der Schweizer (?) Autor hat nicht nur alles versammelt, was Rang und Namen hat, sondern gewährt z.T. auch Autoren einen Eintrag, die mit gerade mal einem Titel auf dem Markt vertreten sind respektive waren. Eine gigantische Fleißarbeit, der er obendrein eine höchst übersichtliche Form gegeben hat: Flückiger listet seine Autoren nicht nur alphabetisch, sondern hat das Material nach Ländern geordnet. Der große Vorteil: Unter der Fülle der anglo-amerikanischen Autoren (die natürlich auch hier den Hauptteil ausmachen), werden die Vertreter kleinerer Krimi-Nationen nicht erdrückt, sondern sind leicht zu finden. Wer nicht weiß, woher ein Autor kommt, blättert eben kurz in mehrere Bereiche des Lexikons.

Ergänzt sind die Porträts durch Bibliographien. Flückiger beschränkt sich auf die Titel, die in deutscher Sprache erschienen sind - eine sinnvolle Reduktion, wenn man die Fülle der berücksichtigten Autoren bedenkt. Gut auch Flückigers Vorgehen: Er listet die Titel nach den Jahren, in denen sie im Original erschienen sind. So bleibt die Chronologie gewahrt, die oft in den deutschen Übersetzungen durcheinander gewürfelt sind.

Den eingangs erwähnten Mark Fisher freilich wird niemand finden - aber dass kein Buch der Welt jeden Krimiautor berücksichtigen kann liegt erstens auf der Hand und zweitens nicht in der Absicht des Verfassers. Autoren, die nur fürs Genre irrelevante Arbeiten geschrieben haben, so Flückiger im Vorwort, bleiben unberücksichtigt. Schändlich also - aber wohl nur eine Frage der Zeit -, bis jemand aus schierer Langeweile so lange stöbert, bis er wirklich auf eine relevante Lücke stößt.

Das »Lexikon der internationalen Krimiautoren« ist gewissermaßen im Selbstverlag als Book on Demand erschienen und wurde vermutlich nicht professionell lektoriert. Daraus resultieren Fehler, über die man wohlwollend hinwegsieht: Kansas City liegt nicht wirklich in Montana, und der Australier Disher heißt mit Vornamen Garry und nicht Gary, wie im Lexikon durchgehend angegeben. Auch sind manche genrehistorischen Einschätzungen wackelig: Agatha Christie ist selbstredend eine herausragende Vertreterin des "Golden Age", aber ihre Begründerin? Und dass Georges Simenon police procedurals geschrieben habe, wie Flückiger in der Einleitung behauptet, ist nun schierer Unsinn.

Damit sind wir bei einem grundsätzlichen Problem des Lexikons: Bei vielen Autoren verlässt Flückiger die beschreibende Ebene und maßt sich subjektive Wertungen ihres Werkes an, die in einem Lexikon wenig zu suchen haben - und auch nicht immer ein Beleg für den Sachverstand des Verfassers sind. Der Stil ist in manchen Artikeln sehr unverbindlich - öfter wird aus einem Krimi ein "Knaller", bei Donna Leon heißt es, in ihrer Heimat habe "offenbar keine Sau je etwas" von ihr gehört. Derart lapidar hingerotzte Sätze werfen Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Verfassers auf, von der ein Lexikon natürlich lebt.

Dennoch: Nach dem Absturz des "Krimi-Lexikons" aus dem Hause Reclam vor drei Jahren ist nun endlich wieder ein ordentlich gemachtes Handbuch auf dem Markt. Der stolze Preis von 36.00 Euro ist für viele nicht leicht aufzubringen, aber gerechtfertigt. Der Titel übrigens führt in die Irre: Wer fürchtet, im »Lexikon der internationalen Krimiautoren« wären die nationalen eben nicht berücksichtigt, wird eines Besseren belehrt. Von A.B.S. bis Jan Zweyer porträtiert Alex Flückiger eine ganze Anzahl deutschsprachiger Genreschriftsteller. Darunter natürlich auch Jörg Juretzka. Dass Flückiger von den Juretzka-Büchern ausgerechnet die beiden vorstellt, zu denen es bei kaliber .38 ausführliche Besprechungen gibt, ist gewiss reiner Zufall. Dass mir manche Formulierungen doch arg bekannt vorkommen, natürlich auch...

 

Alex Flückiger: Lexikon der internationalen Krimiautoren. Von Agatha Christie bis Donna Leon, Ed McBain bis Henning Mankell, Georges Simenon bis Minette Walters, Eric Ambler bis Tom Clancy - die volle Dröhnung. Originalausgabe. Norderstedt: Book on Demand, 2005, 613 S., 36.00 Euro (D)

 

© j.c.schmidt, 2005

 

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