kaliber .38 - krimis im internet

 

Krimi-(Vor-)Auslese 10/2020

 

Hope Hill Drive Regelmäßiger Gast dieser kleinen Monatsvorschau ist Garry Disher. 'tschuldigung dafür - aber Disher ist einfach gut! Mit Hope Hill Drive erscheint sein zweiter Roman um Constable Paul Hirschhausen (Unionsverlag, aus dem australischen Englisch von Peter Torberg). "Hirsch", wie der Cop genannt wird, leitet die Polizeistation der Kleinstadt Tiverton im staubigen Niemandsland des australischen Outbacks. Sein Revier ist riesig, aber Aufregendes passiert selten: Die Arbeit besteht im Wesentlichen in Routineaufgaben - Kupferdiebstähle und häusliche Gewalt, entlaufene Haustiere und Trunkenheit am Steuer. Dann aber erschüttert ein Pferdemassaker die Anwohner. Als es nicht bei toten Tieren bleibt, sondern die ersten menschlichen Opfer zu beklagen sind, fallen die auswärtigen Medien in Tiverton ein, und die hohen Cops aus der fernen Stadt: "Hinter den rostigen Gattern der entlegenen Farmen stößt Hirsch auf schlummernde Leidenschaften und explosive Gewalt", verspricht der Verlag. Dann mal die Gummistiefel angezogen und ran ans rurale Krimi-Werk!

 

Jener Sturm

Gewichtiges aus dem Hause Ullstein: Mit Jener Sturm erscheint ein neuer, knapp tausend Seiten starker Roman von James Ellroy. Der "Sturm" ist die Fortsetzung von "Perfidia" und der zweite Band des zweiten L.A.-Quartetts, falls Sie als Kenner des Ellroy-Gesamtwerks den Text genauer einsortieren möchten. Übersetzt hat das Werk Stephen Tree, der seit langen Jahren Ellroys Bücher für Ullstein übersetzt - eine literarische Treue, die sich auszahlt. Der Roman spielt wie immer in Los Angeles, hier im ersten Halbjahr 1942, und erzählt von "Kriegsgewinnlern und Drogenhändlern, (...) vermeintlichen Verrätern und Hollywood-Schauspielern". Im Mittelpunkt des Romans steht der japanischstämmige Pathologe Hideo Ashida, der seit der Attacke auf Pearl Harbor einen schweren Stand hat und unter Polizeischutz arbeitet. Ellroy, ein kriminalliterarischer Berserker, wie es wohl keinen zweiten gibt, liefert ein weiteres literarisches Puzzle-Stück zu in einem gigantischen Gemälde der Stadt Los Angeles und des südlichen Kaliforniens, der Kultur, der Geschichte und der Politik.

 

Love & Bullets Deutlich lockerer, das signalisiert schon der schöne Titel, geht's zu in Love & Bullets von Nick Kolakowski (Suhrkamp, aus dem Amerikanischen von Stefan Lux). Das Buch ist eine Art Fortsetzungsroman, im Original zwischen 2017 und 2019 in drei Einzelveröffentlichungen erschienen. Der New Yorker Kolakowski erzählt die Geschichte des smarten Betrügers Bill, der sich von einem New Yorker Gangster-Syndikat eine Tasche voller Geld "borgt", um sich - Fahrtrichtung Westen - ein neues, ein ehrliches Leben aufzubauen. Begleitet auf seiner Reise wird Bill von seiner Geliebten Fiona, die, ganz im Gegensatz zu ihm, einen erkennbaren Hang hat, Probleme mit effizienter Gewalt zu lösen. Und Probleme ergeben sich reihenweise, denn die Tüte mit den schönen Scheinen im Kofferraum zieht einen ganzen Haufen irrer Typen an wie das Licht die sprichwörtlichen Motten. "Love & Bullets" ist ein humoriges road-movie, das quer durch Amerika führt bis weiter in die Karibik und den Dschungel Nicaragus, eine "Bonnie & Clyde"-Farce voll spritziger Dialoge und prickelnder Einfälle. Wir freuen uns auf beste Unterhaltung!

 

Der Malteser Falke Ich hab ja nix gegen olles Zeug. Nur manchmal fragt man sich, was das soll: pociao ist eine tolle Übersetzerin, aber was bitte soll denn an der x-ten Bearbeitung des Malteser Falken von Dashiell Hammett im Jahre 2020 sichtbar werden, was bei den vorherigen Übersetzungen verborgen blieb? Immerhin spendiert der Kampa Verlag - der schon mit einer Neuausgabe alter Übersetzungen Simenons die Geduld strapaziert - dem Hammett-Text eine bibliophile Ausstattung: Hardcover mit Schutzumschlag, mit farbigem Vorsatz und Lesebändchen, ein Vorwort des Autors selbst (auch schon angegilbt) und ein Nachwort von Heiko Arntz. Dafür wollen die Schweizer aber auch ein paar Steine sehen - vierundzwanzig, um genau zu sein. Dito Raymond Chandler, für dessen Neuübersetzung der Kleinen Schwester Sie den gleichen Preis berappen dürfen (Diogenes, Dt. von Robin Detje). Als frisches Extra auf Chandlers alten Text gibt's ein Nachwort von Michael Connelly.
      Crumley, Leonard, Leuci, Oster, Pearson, Pelecanos, Sallis, Wambaugh und so weiter - es gibt viele Autoren, deren Bücher man in bestehenden Übersetzungen, aber in schönen Ausgaben neu rausbringen kann! Es muss doch nicht immer das Gesamtwerk sein! Auch den chilenischen Autor Luis Sepúlveda könnte man da nennen, dessen Tagebuch eines sentimentalen Killers - ein schmaler Bericht über einen durch die "verfluchten Fallen des Lebens" stolpernden, liebeskranken Auftragskiller - nach rund zwanzig Jahren jetzt neu aufgelegt wurde (dt. von Willi Zurbrüggen, nochmals Kampa Verlag). Geht doch! Die schönsten Früchte werden mit dem mit dem kleinen Messer freigelegt, doch nicht mit der Heckenschere!

 

Viele weitere Anregungen finden Sie in den Neuerscheinungen Oktober 2020.

 

© j.c.schmidt, 2020

 

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