kaliber .38 - krimis im internet

 

Krimi-(Vor-)Auslese 09/2019

 

Blank Space Der junge Mensch heute guckt lieber fluffige Youtube-Kanäle, als sich durch die verstaubte Literatur zu wühlen. Ein Versuch, die verlorenen Seelen zurück zum Buch zu führen, ist ein neues dtv-Imprint mit dem Namen "bold". "bold", so lesen wir auf der Webseite, "bietet ein junges, trendiges Buch-Programm, zwischen Unterhaltung und Literatur, von Autoren, die wie ihre Leser im Internet zu Hause sind" - also Autoren, die virtuos mit Hashtags jonglieren und auch im Darknet den Durchblick nicht verlieren. Der erste Krimi des Imprints stammt von Susanne Mischke und hat den schönen deutschen Titel Blank Space. Der Stoff - eine Amnesie-Geschichte um eine Frau, die mit einer Mordwaffe in der Hand gefunden wird - ist schon in vordigitalen Zeiten ungezählte Male durchgenudelt worden. Ob man wirklich mit alten Geschichten neue Leser gewinnen kann?
#Absatz

 

Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle Ein Maskenball auf dem Anwesen der Familie Hardcastle. Auf dem Höhepunkt des rauschenden Festes fällt ein Schuss, und die Tochter des Hohen Hauses gleitet leblos darnieder. Okay, klingt nicht wirklich aufregend. Interessant ist aber, was Stuart Turton in seinem Debüt Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle (Tropen Verlag) daraus macht - er wiederholt den dramatischen Tag des Mordes in einer Endlosschleife (vermutlich sieben Male), bis der Mörder schließlich entlarvt ist. Ein ungewöhnliches Leseerlebnis, bei dem der Leser auf intelligent verblüffende Weise in die Irre geführt wird, so die einhellige Meinung in der englischen Presse. Wir sind gespannt!

 

Hitze Nach langem Warten ist er ganz druckfrisch eingetroffen: Hitze, der neue Teil von Garry Dishers langjähriger Saga um den australischen Gangster Wyatt (Pulpmaster). Wyatt ist mal wieder klamm und sondiert seine Möglichkeiten - eine Bank oder doch lieber ein Geldtransporter? Da winkt leichtes Geld in der Kunstbranche, ein flämisches Meisterwerk aus dem 17. Jahrhundert, an dem einige Liebhaber Interesse signalisieren. Wyatt ist nicht so glamourös wie Hollywoods Gangster à la Ocean's 11, 12 usw., sondern ein robuster, zupackender Handwerker. Extrem cooler Stoff für warme Spätsommertage.

 

Einsame Zeugin Nach seinem feinen Debüt-Roman Gravesend freuen wir uns auf den neuen Roman von William Boyle: Einsame Zeugin heisst das Buch, das ebenfalls in Brooklyn spielt. Hauptfigur ist die ehemalige Barkeeperin Amy Falconetti, die bereits in "Gravesend" auftauchte, und mittlerweile auf einem spirituellen Trip surft. Amy wird Zeugin einer tödlichen Messerstecherei. Doch statt die Tat der Polizei zu melden, steckt sie die Waffe ein, und treibt ihr eigenes Katz-und-Maus-Spiel mit dem Mörder...

 

Klare Sache Ein Auge werfen wir auch auf die schottische Autorin Denise Mina, die sich seit den Nuller Jahren von eher papierenen, konventionellen Krimis peu à peu immer weiter nach oben schreibt. Klare Sache (Ariadne) heisst der neue Roman und erzählt von der eher braven schottischen Ehefrau und Mutter Anna McDonald, deren Leben durch eine alte Erzfeindin und eine Podcasterin ziemlich aus den Angeln gehoben wird.

 

The Chain The Chain - Durchbrichst du die Kette, stirbt dein Kind, so der lärmende Titel, den Knaur einem aktuellen Thriller verpasst hat. Eigentlich landet so etwas schnell auf dem Stapel mit Altpapier - aber, holla!, der Text stammt von Adrian McKinty. McKinty machte u.a. auf sich aufmerksam mit einer feinen, sechsbändigen Krimi-Reihe um Detective Inspector Sean Duffy, der sich in den Jahren 1981 bis 1988 als katholischer Bulle in der protestantischen Royal Ulster Constabulary durchschlägt. Alle vorschnellen Schlüsse seien daher hinten an gestellt - der Roman um entführte Kinder, die ihren Eltern nur dann zurückgegeben werden, wenn diese selbst wieder Kinder entführen, verspricht nicht das aufwühlendste Lese-Ereignis des Jahres zu werden, aber von Adrian McKinty darf man rasant-intelligente Unterhaltung erwarten. Das ist doch schon mal was!

 

Ultimatum Noch zwei philosophierende Ermittler: Eugen de Bodt, Christian von Ditfurths Berliner Kommissar, hat seinen fünften Auftritt in Ultimatum (Bertelsmann) - ein Fall, der ihn mal wieder direkt ins Zentrum der politischen Macht führt, ins Kanzleramt. Und Gerd Zahner hat im Transit-Verlag Кeiner verliert allein veröffentlicht, seinen zweiten Roman um den grüblerischen Berliner Polizisten Goster. Das Buch behandelt die Rückkehr der Droge Pervitin, eine Chrystal Meth verwandte Substanz, mit der bereits - stramm bis zur Halskrause - Hitlers Soldaten in den Krieg zogen. Der Autor Gerd Zahner ist ein poetisch umtriebiger Jurist, dem man einen ähnlichen Erfolg wünschte wie seinem Kollegen Ferdinand von Schirach.

 

Viele weitere Anregungen finden Sie in den Neuerscheinungen September 2019.

 

© j.c.schmidt, 2019

 

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